MdL Susann Biedefeld: 40 Jahre AsF im SPD Ortsverein Altenkunstadt und 100 Jahre Frauenwahlrecht

Veröffentlicht am 10.10.2018 in Gleichstellung

Liebe Genossinnen und Genossen,

zuerst einmal herzlichen Glückwunsch an die SPD-Frauengruppe im SPD- Ortsverein Altenkunstadt zum 40jährigen Bestehen. Für eine Frauengruppe in der SPD ist das ein wirklich stolzes Jubiläum. Und: Hier in Altenkunstadt wurde durchgängig 40 Jahre frauenpolitische Arbeit geleistet. Politische Arbeit von Frauen für Frauen und für eine geleichberechtigte Gesellschaft. Politische  Arbeit für die Gleichstellung der Frau in Gesellschaft, Beruf, Familie und Partei. Dankeschön für die Einladung. Ich freue mich, das Jubiläum mitfeiern zu dürfen. Und Dankeschön dafür, über das besondere Jubiläum „100 Jahre Frauenwahlrecht“ anlässlich 40 Jahre SPD-Frauengruppe Altenkunstadt sprechen zu dürfen.

Vor kurzem wurde der Internationale Frauentag zum 107. Mal gefeiert und  aus diesem Anlass werden auch oft Blumen verteilt. Als Frau finde ich es natürlich schön, wenn man Blumen bekommt, aber ich meine, dass Frauenpolitik jeden Tag und überall stattfinden muss, wenn sich etwas verbessern soll. Aber wir haben heute ein Jubiläum: 40 Jahre AsF Altenkunstadt und da erlaube ich mir, jeder Frau (aber auch den Männern) statt Blumen, ein paar Kalorien zu schenken: Ein kleines, individuell für das Jubiläum, gestaltetes Schokoladentäfelchen. Und Blumen? Blumen bekommt heute „nur“ das noch einzige Gründungsmitglied, unsere anwesende Genossin.

Doch lasst mich zuerst einen Blick darauf werfen, wo wir herkommen und dann wo wir stehen:

Historie
„Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ – dass es dieser Satz in das Grundgesetz geschafft hat, haben wir – natürlich einer Frau zu verdanken. Die SPD-Politikerin Elisabeth Selbert gilt als „Mutter des Grundgesetzes“.
 
Seit fast 100 Jahren dürfen Frauen in politische Ämter gewählt werden – doch leider sind auch heute in den meisten Gremien die Politikerinnen – quer durch alle Fraktionen – in der Minderheit.

Gehörten dem ersten Deutschen Bundestag nur 6,8 Prozent Frauen an, so stieg der Anteil langsam aber stetig auf 15,4 Prozent 1987 und auf 36,5 Prozent in der letzten Periode von 2013 – 2017.
Im neu gewählten Deutschen Bundestag sind nur noch 31 Prozent weibliche Abgeordnete zu finden.
Im Bayerischen Landtag liegt der Frauenanteil bei noch weniger, bei 28 Prozent. Die SPD-Fraktion stellt übrigens 19 weibliche Abgeordnete von insgesamt 42 Abgeordneten. Insgesamt sind wir allerdings von 180 Abgeordneten nur 52 Frauen (CSU 21).
Ich habe manchmal das Gefühl es geht rückwärts, statt vorwärts!

Über 100 Jahre Frauenbewegung haben uns Frauen eine ganze Menge gebracht (über das Frauenwahlrecht hinaus) – aber es war ein weiter Weg, das gedruckte Wort „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“, mit Leben zu erfüllen.

1949    Grundgesetz: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“

1953    Abschaffung des Gehorsamsparagraphs (§ 1354 BGB): Ehemänner hatten
das Entscheidungsrecht in allen ehelichen Angelegenheiten

1958    Änderung beim ehelichen Güterrecht: Ehemänner
waren bis dahin zur alleinigen Nutzung und Verwaltung des Vermögens der Frau berechtigt

1958    Abschaffung des Rechts des Ehemannes, das Arbeitsverhältnis seiner Frau zu kündigen

1959    Abschaffung des Stichentscheids: Ehemänner hatten das letzte Wort in Erziehungsfragen
 
1969    Stärkung der Rechtsstellung nicht verheirateter
Mütter und deren Kinder: Kinder gelten nun als verwandt mit dem Vater, der kann sich also seiner Unterhaltspflicht nicht mehr entziehen

1969        Arbeitsförderungsgesetz sieht Instrumente zur  Förderung von Frauenerwerbstätigkeit vor

1977    Familienrechtsreform: Ehefrau ist nicht mehr gesetzlich zur Haushaltsführung verpflichtet; Ehefrau    darf ohne Einverständnis des Ehemannes erwerbstätig sein

1977 Änderung des Namensrechts: nun konnte auch der Nachname der Frau neuer Name des Ehepaars sein (seit 1992 können Ehepartner die jeweils
eigenen Namen behalten)

1985    Beschäftigungsförderungsgesetz sichert Teilzeitarbeit arbeitsrechtlich ab

1994    Grundgesetz: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“


Anrede,

wir Frauen tragen heute ganz selbstverständlich Hosen – was Frauen im deutschen Bundestag noch in den 70er Jahren verboten war.

Wir gehen unserem Beruf nach und fahren Auto... – auch das ist eine Errungenschaft – immerhin war bis 1958 die Erlaubnis des Mannes zum Führerscheinerwerb erforderlich!!
 
– übrigens, an die Männer - heute fahren wir Frauen besser Auto – und haben meist die billigeren Versicherungs-Prämien.

Zum Thema Frauen und Technik:

Noch 1978 wurde bei den Stadtwerken München ein Modellversuch gestoppt, der es weiblichen Lehrlingen ermöglichen sollte, eine technische Ausbildung in den Elektrizitätswerken aufzunehmen.
Und zwar mit der Begründung, dass die biologischen Gegebenheiten des weiblichen Organismus dafür nicht geeignet seien. Denn die Arme seien kürzer, der Daumen sei ebenfalls kürzer und dafür der Zeigefinger länger.

Die Sozialdemokratie hat sich immer dafür eingesetzt, Frauen mehr Rechte zu geben. Für uns steht die Gleichberechtigung von Mann und Frau und vor allem die Chancengerechtigkeit an erster Stelle.

In der letzten Legislaturperiode hatten wir übrigens drei Ministerinnen, die  sich vehement für die Belange der Frauen eingesetzt haben: Manuela Schwesig, Katharina Barley und Andrea Nahles haben sich vehement dafür eingesetzt, dass wir endlich über eine Familienarbeitszeit reden, wie es sie in Schweden gibt. Bei Schweden möchte ich noch eine kurze Begebenheit erzählen:

Coca Cola
Beim Besuch der schwedischen Niederlassung von Coca-Cola in Stockholm wurden wir von einem weiblichen Führungstrio empfangen. Die Niederlassungsleiterin ist eine verheiratete junge Frau mit drei Kindern.
Ihr Mann arbeitet als Arzt am größten Krankenhaus Stockholms. Für beide ist es selbstverständlich, zu arbeiten und für die Kollegen ist es selbstverständlich, dass bei einem Krankheitsfall der Kinder entweder der Mann oder die Frau zuhause bleibt.

Die Produktionsleiterin von Coca Cola ist eine Frau und die Vertriebsleitung lieg ebenfalls in weiblichen Händen.
 
Der Erziehungsurlaub in Schweden wird gedrittelt – ein Drittel nimmt die Frau, das zweite Drittel der Mann und das letzte Drittel kann frei entschieden werden.

Und die Niederlassungsleiterin Coca-Cola überraschte uns mit der Aussage, dass jeder, der vom Erziehungsurlaub zurückkommt, eine andere Stelle bekommt, als vorher. Und zwar eine besser dotierte. Die Begründung dafür war ganz einfach:
Schließlich konnte man sich während der Familienzeit Qualifikationen erwerben, die in einem normalen Berufsleben nicht zu erwerben sind, aber für die Persönlichkeit und Kompetenz von Bedeutung sind. Und das werde honoriert.

An diesem Beispiel sieht man: Wenn die Rahmen-bedingungen – also die Kinderbetreuungsmöglichkeiten oder die beruflichen Chancengleichheit stimmen, werden damit auch gesellschaftliche Veränderungen möglich.

Eine andere Erfahrung durfte ich beim Besuch des BMW-Werks 2016 machen
– dort wurde uns ein neues Modell vorgestellt. Und in der Diskussion tauchte die Frage auf, wie man denn den Facharbeitermangel mit Frauen ausgleichen könne.
Das rief auch die Frage nach Kinderbetreuungs-möglichkeiten und familienfreundlichen Arbeitszeiten hervor. Darauf meinte ein  niederbayerischer CSU-Bundestagsabgeordneter: Er verstehe diese ganze Diskussion nicht. Denn: „Wir Männer sind auch immer in die Arbeit gegangen, ohne dass es eine Kinderbetreuung gab“.

Anrede,

Frauen und Politik
Wenn sich in der Politik schneller etwas ändern soll, brauchen wir aber mehr Frauen, die bereit sind, sich politisch zu engagieren – dazu lade ich Sie/Euch alle heute ein.

Frauen stellen 51 % der Bevölkerung! Deswegen sollten sie auch in der Politik mit 50 % vertreten sein. Die Realität sieht jedoch anders aus:
 
In den oberfränkischen Kreistagen sind die Frauen (102 insgesamt über alle Parteien hinweg von 520 Frauen UND Männern) nur mit 19,6 % seit der Kommunalwahl 2014 (25,7% sind es in Oberbayern) vertreten. Im Landkreis Lichtenfels sind von insgesamt 50 Kreisrätinnen und Kreisräten 11 Frauen (4 bei der CSU von 21; 3 bei der SPD/SB von 13; 1 Frau bei den Freien Wählern von 7; 2 bei den Jungen Bürgern von 5 und 1 Frau bei Bündnis 90/Die Grünen von 4 Kreistagsmitgliedern).
In den oberfränkischen Gemeinderäten (da hat mir das Bayerische Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik nur die Zahlen für die Wahlperiode 2008- 2014 ausgeworfen) beträgt der Frauenanteil nur noch 16,6 Prozent (von
3.280 Gemeinderatsmitgliedern in kreisangehörigen Gemeinden sind nur 546 Frauen, also 16,6 %) - über alle Parteien hinweg. Etwas besser, aber genauso unbefriedigend sind die Zahlen bei den Gemeinderatsmitgliedern in kreisangehörigen Gemeinden in ganz Bayern (hier ebenfalls die letzten aktuellen Zahlen der Wahlperiode 2008-2014): 31.626 Gemeinderatsmitglieder insgesamt in ganz Bayern, davon gerade einmal 5.661 Frauen über alle Parteien hinweg, was 17,9 % entspricht.
In der Gemeinde Altenkunstadt mit insgesamt 20 Gemeinderatsmitgliedern, also von 20 üben 6 Frauen das Gemeinderatsmandat aus. Das sind 30 Prozent!

Noch in den 1950er Jahren konnte ein CSU-Landtagspräsident Horlacher im Parlament bekennen: „Als einzelne wirkt eine Frau wie eine Blume im Parlament, aber in der Masse wie Unkraut“. UNGLAUBLICH!!
Aber ich weiß, dass manches Unkraut in der Natur wertvoller ist, als die schönste Blume!

Wenn mehr Frauen in der Politik mitentscheiden, wird sich auch die Sichtweise auf politische Themenfelder ändern! Zum Beispiel:

-    Öffnungszeiten der KiTas
-    Ferienbetreuung in den Kommunen
-    ÖPNV-Verbindungen
-    Angebote der Nahversorgung, der Pflege, der medizinischen Versorgung
 
Hier sollten wir uns nicht darauf verlassen, dass es die Männer schon richten werden – wir Frauen müssen auch selbst für unsere Interessen einstehen – und auch dafür möchten wir mit unserer Veranstaltung heute werben!

Der Blick über den großen Teich sollte uns mit Sorge erfüllen. Dass dort ein Mann zum Präsidenten gewählt wurde, der mit frauenfeindlichen und frauenverachtenden Sprüchen Wahlkampf gemacht hat, ist eigentlich unfassbar. Das sollte uns allen auch eine Warnung sein und deutlich machen, dass es beim Wählen auch auf die Stimmen der Frauen ankommt!

Equal-Pay-Day
Im März war nicht nur der Internationale Frauentag, sondern am 18. März war auch der „Equal-Pay-Day“ – der Tag also, bis zu dem Frauen sozusagen umsonst arbeiten, bis sie die Lohnlücke zu den Männern erreicht haben. Die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern beträgt 23% - in Bayern sogar 26%.

Negativer Spitzenreiter in der ganzen Bundesrepublik ist der Landkreis Dingolfing-Landau in Niederbayern: Die Männer verdienen hier im Schnitt 38,4 Prozent mehr als eine Frau.

Wir wollen deshalb als SPD ein Lohntransparenzgesetz, dass es Beschäftigten ermöglicht, ihr Gehalt mit männlichen Kollegen zu vergleichen. Wir haben gemerkt, dass sich auf freiwilliger Basis nichts verbessert. Und dies muss für ALLE Betriebe gelten, nicht erst ab mindestens 200 Beschäftigte …. Im Mittelpunkt steht ein Auskunftsanspruch: Beschäftigte haben von nun an ein Recht zu erfahren, wie Kollegen des jeweils anderen Geschlechts mit ähnlichen Tätigkeiten bezahlt werden.
 


Großen Nachholbedarf in Sachen Gleichstellung gibt es wohl noch bei polnischen Europa-Abgeordneten.

Es ist eigentlich unfassbar, dass im Jahr 2017 ein Abgeordneter sagen kann, dass – ich zitiere:
„Natürlich müssen Frauen weniger verdienen als Männer, denn Frauen sind schwächer, sie sind kleiner, und sie sind weniger intelligent“.
 
Solche Ansichten gehören ins Mittelalter – aber Männer mit solchen Ansichten gehören ganz sicher nicht in ein Europaparlament des 21. Jahrhunderts!
Solche Männer haben in keinem Gremium was zu suchen!!!
 


Anrede,

Familienarbeitszeit

Es war eine gute Entwicklung, dass Frauen nach der Erziehungszeit wieder eine Rückkehrgarantie in den Beruf bekommen haben. Doch das Familienmodell   hat sich geändert und deshalb müssen wir hier neue Wege beschreiten! Die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung „Jungsein in Bayern“ zeigt auch auf, dass sich junge Menschen heute eine gleichberechtigte Partnerschaft wünschen.
Männer und Frauen wollen beide im Beruf erfolgreich sein und sich die Familienarbeit teilen – so sieht die Planung aus.
Ist erst das Kind da, stellt man fest, dass es zur Umsetzung flexible Arbeitszeitmodelle braucht, die sich an veränderte Lebensphasen anpassen und vor allem Gehälter für Männer UND Frauen, die eine Entscheidungsfreiheit ermöglichen. Und natürlich müssen die Kinderbetreuungsmöglichkeiten ausreichend vorhanden sein.
Und zwar nicht nur im Krippen- oder Kindergartenalter, sondern auch für Schulkinder.

Viele Frauen wissen, was es heißt, wenn ein Kindergartenkind zum Abc- Schützen wird und auf einmal um 11.20 Uhr Schulschluss hat. Das macht eine Beschäftigung jenseits der Teilzeit schwierig.

Teilzeitbeschäftigung

Ein Blick in die Teilzeitquoten zeigt es ganz deutlich: Während zwar die Berufstätigkeit von Frauen an sich zugenommen hat, ist gleichzeitig die Teilzeitquote bei Frauen stark gestiegen: Nahezu 74 Prozent der Frauen arbeiten Teilzeit, während es nur 26 Prozent der Männer sind.
 
Allerdings kommt ein weiteres Problem hinzu – nämlich, dass 64 Prozent der Frauen geringfügig – also auf Minijobbasis - beschäftigt sind. Die Einbußen im Gehalt holen Frauen in ihrem Erwerbsleben kaum noch auf.
Nur wenn auf Dauer beide Partner die Möglichkeit haben, eine gut bezahlte Arbeit zu haben, die mit der Familie vereinbar ist, werden sich die Renten der Frauen verbessern und die Entscheidung für Kinder deutlicher ausfallen.

Frauen im Alter

Am Ende ihres Erwerbslebens stellen die Frauen fest, dass sie zwar ihr ganzes Leben irgendwie gearbeitet haben, aber die Rente kaum zum Leben reicht! Der Lohnunterschied wirkt sich auf die Rente aus – während ein durchschnittlicher Bayer 1.120 Euro Rente bekommt, sind es bei einer Rentnerin in Bayern gerade einmal 638 Euro.
In unserer Heimat Oberfranken ist das Rentenniveau noch einmal niedriger – durchschnittlich bekommt eine Frau (im Jahr 2016) lediglich 656,50 Euro Rente, in Oberbayern sind es immerhin im Schnitt schon 689 Euro.
Im Landkreis Lichtenfels erhält eine Rentnerin mit durchschnittlich 648,16 Euro Rente im Monat rund 60 Prozent weniger Rente als ein Mann mit 1.069,38 Euro.

Ich habe das im Rahmen einer Anfrage an die Staatsregierung erfahren und wollte auch eine Beurteilung dazu haben. Die Antwort ist kaum zu glauben, aber die Staatsregierung sieht hier kein größeres Problem, denn:
„Meistens leben Frauen in einer gemischtgeschlechtlichen Beziehung und haben aufgrund ihrer höheren Lebenserwartung später Ansprüche auf eine Witwenrente“.
Ich meine, das darf nicht die Perspektive von modernen Frauen in einem modernen Bayern sein: „Heiraten und auf die Witwenrente warten“. Renate Schmidt hat ein Buch geschrieben „Ein Mann ist keine Altersvorsorge“. Das Buch kann ich nur jeder Frau, gerade jüngeren Frauen nur empfehlen!!!


Anrede,
auch der Freistaat Bayern feiert in diesem Jahr sein 100jähriges Jubiläum.

Am 7. November 1918 rief der Sozialdemokrat Kurt Eisner in einer unblutigen Revolution in München den Freistaat aus:
 
Im Aufruf: „An die Bevölkerung Münchens“ heißt es:
„Bayern ist fortan ein Freistaat“.

Mit der Freiheitsproklamation, die im Übrigen in Bayern zwei Tage vor der Ausrufung der Deutschen Republik durch Philipp Scheidemann in Berlin erfolgte, wurde erstmals auf deutschem Boden das bis heute gültige
„allgemeine, direkte und geheime Wahlrecht“ eingeführt. Und dabei auch gleich das Frauenwahlrecht beschlossen – also können wir dieses Jahr auch
„100 Jahre Frauenwahlrecht“ feiern.
Wir waren damit aber nicht die ersten, die auf die Idee gekommen sind, das Frauenwahlrecht einzuführen:

Pitcairn    1838    Insel im Südpazifik
Wyoming    1869    als erster moderner Staat in USA
(damals noch nicht USA)
Colorado 1893    haben die Männer in einer Volksabstimmung für das Frauenwahlrecht gestimmt
Finnland    1906    erster europäischer Staat
Deutschland 1918    die meisten europäischen Staaten zwischen 1. und
2. Weltkrieg Liechtenstein 1984    letzter europäischer Staat

Saudi-Arabien 2015    haben Frauen das aktive und passive Wahlrecht
erhalten wg. mangelndem Personalausweis können viele Frauen nicht mitstimmen

Die erste demokratische Wahl in Deutschland fand in Bayern statt; die Landtagswahl am 12. Januar 1919. Am 19. Februar 1919 sprach Marie Juchacz (SPD) als erste Frau in einem deutschen Parlament. Welch ein Erfolg! Ein solches Wahlrecht hatte die deutsche Sozialdemokratie seit ihrer Gründung (über 150 Jahre) gefordert. Seither „geht alle Macht vom Volke aus“ – und zwar von allen und nicht nur von den männlichen, steuerzahlenden Staatsangehörigen ab 25 Jahre wie noch 1893. Bei den Landtagswahlen am 12. Januar 1919 werden acht Frauen in den Bayerischen Landtag gewählt; mit Aurelie Deffner (Schwaben, Augsburg) und Emilie Mauerer (Niederbayern) zwei Sozialdemokratinnen.
 

Die SPD war immer ihrer Zeit voraus: Bereits 1891 mit dem Erfurter  Programm verabschiedete sie als erste Partei die Forderung nach Gleichstellung der Frau. 1895 legte August Bebel einen Gesetzentwurf zum Frauenwahlrecht im Reichstag vor und erntete Heiterkeit. 1903 beschloss die SPD auf dem Parteitag sich für das Frauenwahlrecht einzusetzen. Und bereits 1908 wurde beschlossen, dass Frauen gemäß ihrem Anteil in Partei im Vorstand vertreten sein müssen! – Flexiquote… 1985 beschloss die ASF-Bundeskonferenz und 1988 der SPD-Parteitag die feste Quote von 40 Prozent und den Reißverschluss…
Wenden wir uns kurz den dunkelsten Stunden unserer bayerischen Geschichte zu:


Am 29. April 1933 stimmten die 16 anwesenden SPD-Abgeordneten gegen das Ermächtigungsgesetz, das den zynischen Titel trug:
„Gesetz zur Bekämpfung der Not des bayerischen Volkes und Staates“.
Die anderen 84 Abgeordneten stimmten dem Nazi-Gesetz zu, das faktisch den Todesstoß für die Demokratie und den noch jungen Freistaat Bayern bedeutete. Der 29. April 1933 war zugleich der letzte Sitzungstag im Bayerischen Landtag für 13 Jahre – in der Folge wurden die Länderparlamente abgeschafft und die Länder aufgelöst.

Am 16. Dezember 1946 fand in der großen Aula der Münchner Ludwig- Maximilian-Universität die erste Sitzung des neugewählten Landtags nach dem
2.    Weltkrieg statt.
In einem München, das von Bomben in Schutt und Asche gelegt war, in dem Heimatvertriebene, Kriegsflüchtlinge, Witwen und Waisen und Kriegsversehrte mit den Folgen von Krieg und Zerstörung fertig zu werden.

In den 100 Jahren seit der Ausrufung Bayerns zu einem Freistaat ist viel  passiert und aus der Rückschau wird deutlich, dass es immer Sozialdemokraten waren, die das Bollwerk der Freiheit und der Demokratie waren, wenn es darum ging, Menschenrechte zu verteidigen und soziale Verbesserungen zu erstreiten.
 
Zurücklehnen dürfen wir uns trotzdem nicht, denn bereits Willy Brandt hat gesagt: „Jede Zeit braucht ihre eigenen Antworten und man müsse auf der Höhe der Zeit sein, um Gutes zu bewirken“.

Welche Fragen stellt unsere Zeit jetzt an uns?
Ich denke, wir müssen auf ähnlichen Themenfeldern wie in den letzten 100 Jahren, wieder neue und passende Antworten finden.
    PARITÉ…..50 % Männer UND Frauen in alle Parlamente und Entscheidungsgremien. Es gibt mehr Frauen als Männer auf dieser Welt. Und es gehört nicht nur der Himmel 50 Prozent den Frauen, sondern auch 50 Prozent der Macht den Frauen!

    Wenn vor 100 Jahren der Acht-Stunden-Tag eingeführt wurde, müssen wir uns heute nach wie vor dafür einsetzen, dass bei aller Flexibilität das Arbeitszeitgesetz nicht wieder aufgeweicht wird.
Und wir müssen moderne Antworten auf die Lebensentwürfe junger Männer und Frauen finden, die sich das Arbeits- und Familienleben gleichmäßig aufteilen wollen.
Wir müssen hinhören, welche Vorstellungen die Generation Y und Z zur Work-Life-Balance hat und ob Verdienst wichtiger ist als Zeitsouveränität.

    100 Jahre nach dem ersten sozialdemokratischen Sozialminister Hans Unterleitner stellen wir fest, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich weiter öffnet.
Alleinerziehende, Rentnerinnen und Kinder sind stärker von Armut und den daraus folgenden Ungerechtigkeiten bei Bildung, Gesundheit und Vorsorge betroffen. Und wir brauchen wieder die Initiative des Staates, endlich bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

    71 Jahre nach dem Beschluss der Schul- und Lernmittelfreiheit müssen wir dafür Sorge tragen, dass Bildungschancen gerecht verteilt sind und dass Kinder aus benachteiligten Familien bestmögliche Förderung in Ganztagsangeboten erhalten.
Wir wollen, dass die KiTa endlich kostenfrei wird, um Familien zu entlasten.
 
    34 Jahre, nachdem der „Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen“ in der Verfassung verankert wurde, müssen wir feststellen, dass der Klimawandel voranschreitet, die Nitratbelastung unseres Grundwassers steigt, die Energiewende stockt und die Mobilitätswende auf sich warten lässt.
Hier brauchen wir eine Politik, die den Mut hat, auf unbequeme Wahrheiten unbequeme Antworten zu geben.

    Vier Jahre nachdem die „Gleichwertigen Lebensverhältnisse“ in der Bayerischen Verfassung verankert wurden, hat die damit eingesetzte Enquete-Kommission im Bayerischen Landtag ihren Abschlussbericht vorgestellt.
Es gilt Antworten zu finden, wie die Digitalisierung sinnvoll gegen den Ärztemangel eingesetzt werden kann und wie trotzdem der persönliche Kontakt erhalten bleibt.

Unsere Kommunen müssen finanziell in die Lage versetzt werden, Schwimmbäder und Kulturangebote vorzuhalten, um Naherholung zu ermöglichen.
Die Nahversorgung mit Lebensmitteln, Apotheken und den Dingen des täglichen Bedarfs muss sichergestellt werden, wenn die Dörfer erhalten bleiben sollen.

    Und unsere neu eingesetzte Enquete-Kommission „Integration in Bayern“ wird sich über 70 Jahre nach dem Ankommen der schlesischen Flüchtlinge und sudetendeutschen Vertriebenen wieder mit Fragen der Integration, Bildung und Chancen beschäftigen. Vielleicht kann uns die Predigt unseres Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford Strohm da eine Leitlinie sein, der sagte:
„Weder Obergrenzen für die Unterstützung von Menschen in Not helfen diesem Land noch moralische Durchhalteparolen.
Was dieses Land braucht, ist eine neue innere Freiheit.“


100 Jahre Freistaat Bayern sind ein Jubiläum zum Feiern – aber anders, als ein Jubilar, der seinen 100. Geburtstag feiern kann und sich zurücklehnt und auf
 
ein erfülltes Leben zurückblickt und weiß, dass die Zukunft nur noch kurz sein wird, müssen wir unser Bayern fit machen für die Herausforderungen der nächsten 100 Jahre.
Die Geschichte des Freistaats Bayern zeigt auch, dass sie an Meilensteinen stets eng verknüpft war mit den Sozialdemokraten:

Es war der Sozialdemokrat Kurt Eisner, der den Freistaat ausgerufen hat.

Es waren die Sozialdemokraten, die in Bayern und in Berlin gegen das Ermächtigungsgesetz gestimmt haben.
Und es war der Sozialdemokrat Wilhelm Hoegner, der in seinem Exil in der Schweiz die ersten Texte für die Bayerische Verfassung schrieb, die vor 71 Jahren verabschiedet wurde.

Wir Sozialdemokraten waren in Bayern nicht oft an der Macht. Aber trotzdem nicht machtlos.
Wenn man jedoch anhand dieses Rückblicks betrachtet, wie lange es manchmal gedauert hat, bis die Ideen von uns umgesetzt wurden, können wir uns für ein modernes Bayern in den nächsten 100 Jahren nur wünschen, die Mehrheitsverhältnisse in Bayern zu ändern, damit die Uhren in Bayern nicht nur anders gehen, sondern auf der Höhe der Zeit sind und tatsächlich Gleichberechtigung im Arbeitsleben, im Alter, in der Politik und im Privaten erreicht ist.

Nur wenn wir gemeinsam für unsere Ziele und Ideale kämpfen, andere Menschen davon überzeugen, werden wir auch weiterhin den Satz des Grundgesetzes „Frauen und Männer sind gleichberechtigt“ mit Leben erfüllen können!
Das wissen auch unsere Jugendlichen, die bei einem Wettbewerb der Staatsregierung eine neue europäische Strophe für die Bayernhymne getextet haben:
Gott mit uns und allen Völkern, ganz in Einheit tun wir kund: In der Vielfalt liegt die Zukunft, in Europas Staatenbund.
Freie Menschen, freies Leben, gleiches Recht für Mann und Frau. Goldene Sterne, blaue Fahne und der Himmel, weiß und blau.
 
Die CSU hat es im November 2016 abgelehnt, anlässlich des 70jährigen Bestehens unserer Verfassung diese Strophe aufzunehmen. Schade. Denn es hätte deutlich gemacht, dass sich unsere Jugend ernst genommen fühlt.
Und für die Frauenrechte kann man nicht genug Mitstreiterinnen und Mitstreiter haben. So hat es beispielsweise die italienische Schauspielerin Eleonore Duse bereits im Jahr 1907 auf den Punkt gebracht:
„Ohne Frauen geht es nicht, das hat sogar Gott eingesehen“.

Herzlichen Dank für Ihre/Eure Aufmerksamkeit!

Ich wünsche Ihnen/ Euch und uns noch einen unterhaltsamen Abend.

 

Altenkunstadt, 24. September 2018

 
 

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